Donnerstag, 5. Dezember 2013

Moderne Stauden- und Gräserpflanzung




Am 10. November wurde in der facebook- Gruppe "Pflanzenenthusiasten" von Hermann Gröne die Frage aufgeworfen, ob die moderne Stauden- und Gräserpflanzung überbewertet wird. Wir hatten uns darüber bei seinem Besuch im Staudengarten Groß Potrems am 5. November unterhalten. Die Frage wurde in 55 Kommentaren kontrovers diskutiert. Mal nicht die üblichen Hier-mein-Blümchen-Posts mit den Oh-wie-schön-Kommentaren, doch leider ist facebook nicht dafür geschaffen und das Ganze ist schon wieder in der Versenkung verschwunden. Wer es noch Mal lesen möchte findet es hier: (https://www.facebook.com/groups/103704136329572/permalink/671740806192566/)). 
Meine Zusammenfassung:
Von den meisten Kommentatoren wird eingeschätzt, dass immer noch sehr viel Bedarf an Stauden und Gräsern ist. Andere wettern dagegen, dass die Gestaltung mit diesen Pflanzen als das Non plus Ultra betrachtet wird. Einige glauben, dass diese Frage nur etwas für Gartenexperten ist und dass Nachhaltigkeit, Pflegeleichtigkeit und Staudenmischpflanzungen seltsame Begriffe seien. Wieder andere meinen Pflegeleichtigkeit sei nur etwas für das öffentliche Grün. Der Gartenbesitzer sollte sich schon plagen. Warum heutzutage traditionelle Border nicht mehr zeitgemäß sind, können und wollen einige nicht verstehen.
Hier meine Meinung:
Gerade lese ich in unserer Ostseezeitung: „Im Norden sterben die Frösche aus. Zuviel Dünger und Pestizide in den Gewässern. Von den zwölf Lurcharten in Mecklenburg reichen bei 9 Arten die Populationen für eine dauerhafte Erhaltung nicht mehr aus.
In den vergangenen 20 Jahren hat sich auch die Zahl der Schmetterlinge fast um die Hälfte verringert. Schuld am Schmetterlingssterben sind die Intensivierung der Landwirtschaft und das Fehlen von Wiesen. (The European Grassland Butterfly Indicator: 1990–2011, EEA Technical report No 11/2013).
Peterken (2013) schreibt in seinem Buch „Meadows“, dass durch die Intensivierung der Landwirtschaft in Groß Britannien in den letzten 50 Jahren 97% der Wiesen verloren gingen. In Deutschland wird es ähnlich aussehen.
Angesichts dieser und ähnlicher Fakten kommt für mich nur ein naturalistischer Garten mit Stauden und Gräsern, wie er von zahlreichen Gartengestaltern propagiert wird, in Frage. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und verwende hauptsächlich Wildstauden. Allerdings nicht so weit, dass ich nur einheimische Stauden und Gehölze pflanze.
Ein so gestalteter Garten ist pflegeleicht und nachhaltig.
Das tue ich aber nicht nur für die Tiere, sondern auch für mein Gartenerlebnis. Ich bin überzeugt, es ist der richtige Weg in die Zukunft des Gartens, und das werde ich auch missionarisch verbreiten. Auch wenn es einigen nicht gefällt. Die nächste Gelegenheit dazu ist der Film "Die schönsten Gärten und Parks des Nordens", der im NDR-Fernsehen am 20. Dezember 2013 um 20.15 und am 01.Januar 2014 um 15:25 Uhr gezeigt wird. Ich hoffe nur, dass von den zwei Drehtagen in unserem Garten nicht zuviel weggeschnitten wurde. Z. Zt. schreibe ich auch ein Buch zu dieser Thematik, und ich würde mich freuen, hier auch so viele Kommentare zu bekommen.
Per email bekam ich : „Beim Anblick steriler Vorgärten aus blankem Stein, weißem Kies, formierten Koniferen und Millimeter-Rasen … dreht sich auch mir regelmäßig der Magen um. … Wir sollten nicht auf die Besitzer mit dem Finger zeigen und sie verurteilen, aber man sollte sich nicht scheuen, menschliches Tun mit all seinen Auswirkungen zu bewerten. Erstens und ganz nüchtern betrachtet ist das eine versiegelte Fläche mehr, deren ökologischer Wert gen Null tendiert und zweitens verbirgt sich in den Köpfen der Besitzer eine geistige Haltung, die … "Viele Menschen scheinen die Natur für eine ausgesprochene Schlamperei zu halten." (Dieter Wieland) Angesichts des anhaltenden Artensterbens, nicht nur am Amazonas oder in der afrikanischen Savanne, sondern auch und gerade vor unserer eigenen Haustüre, sollte uns der Umgang mit unserer heimatlichen (Garten-)Landschaft weit mehr am Herzen liegen.“

4 Kommentare:

  1. " „Beim Anblick steriler Vorgärten aus blankem Stein, weißem Kies, formierten Koniferen und Millimeter-Rasen … dreht sich auch mir regelmäßig der Magen um. …"

    ich finde die diskussion sehr sehr spannend. Denn zeitgleich kam ich mit vor einigen tagen mit einem jungen landschaftsgärtner ins reden, der die zukunft seines berufs vor allem in der baulichen tätigkeit sieht (sinngemäss war seine aussage "pflanzenwissen wird überbewertet, pflanzen ergänzen nur die baulichen massnahmen").
    Er findet die entwicklung bei unseren deutschen nachbarn sehr positiv (vermehrtes augenmerk auf bauliche qualitäten) und meint, sie wird zu uns (also Ö) übergreifen.
    So sehr ich gut finde, dass auf baulich-gestalterische qualität vermehrt wert gelegt wird (obwohl gerade gestalterisch die geschmäcker auseinandertriften, wie sattsam bekannt), erschreckt mich der - hmm, ja, erdferne zugang.

    Zumindest welche pflanzen zu (m)einem standort passen und dort minimalinvasiv gedeihen können, sollte zum absoluten grundwissen von menschen gehören, die mit grünen freiräumen zu tun haben. Und sie sollten wissen, warum sie das wissen sollen.
    Das erarbeiten das verständnisses der tieferen zusammenhänge sollte dann auf dem fusse folgen.

    Ich persönlich finde den zugang "mit wie wenig eingriff kann ich auskommen" langfristig(!) am besten - und nicht "was muss ich alles tun, um meine vision zu verwirklichen".

    Kann natürlich als faulheit angesehen werden. Ist es vielleicht sogar ;)

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  2. und ob der weg des oder der einzelnen (oder gemeinschaft) jetzt ein waldgarten oder ein stauden/gräsergarten ist, oder ein food forest - das sollte nur von den persönlichen bedürfnissen und den standortgegebenheiten abhängen. Und von nichts anderem. Genau.

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  3. Dann will ich Dich mal auf Deiner Mission unterstützen, Jochen!

    Kürzlich stand in der GEO 10/2013:

    „Nicht die kompakt gebauten Großstädte (…) sind ein ökologisches Desaster, sondern die Neubauviertel außerhalb. (...) Etwa 80.000 Eigenheime entstehen jedes Jahr in Deutschland, ein Großteil zwischen Speckgürtel und Land, ohne ÖPNV-Anschluß. Für sie gräbt eine Armada aus Baggern die Erde auf und wieder zu, damit Straßen und Leitungen, Grillterrassen und Zen-Gärtchen entstehen. Vorher war da Feld oder Wald, vielleicht nur eine Brennnesselbrache – aber kein Beton. Seit 2011 wurden pro Sekunde 8,52 Quadratmeter Landschaft in Siedlungs- und Verkehrsflächen verwandelt. (…) Wer über Naturzerstörung im Regenwald klagt, sollte sich den Landfraß bei uns bewußt machen.“

    Dieter Wieland (dessen beißende Kommentare ich liebe):

    „Und am Samstag robbt der Hausherr mit der Schere hinter dem letzten aufsäßigen Grashalm her. So was von gepflegt! So richtig Land! Schön ist, was sauber ist. Das deutsche Trauma. (…) Das sind Gärten, die diesen Namen nicht verdienen. Aber sie verderben das Gesicht der Dörfer. (…) Das sind (...) leergefegte Plattformen der Pedanterie, aus denen jedes Gänseblümchen mit Gift hinausgeekelt wird."

    „Wieder einer, der im Grünen leben wollte und der doch dafür sorgte, daß die Welt wieder etwas grauer wurde.“

    „Eine immer kleiner werdende Bevölkerung beansprucht immer mehr Fläche. Und der Bedarf scheint unersättlich. Das tägliche Quantum an Landverbrauch ist schon Routine, ist schon Norm. Weniger bedeutet Krise, sinkende Bilanzen, weniger Arbeitsplätze. Gewachsen sind Bedenkenlosigkeit und Ahnungslosigkeit, Bequemlichkeit und Trägheit, Achselzucken, Kompromissbereitschaft, wo es keinen Kompromiß mehr geben darf. Und täglich wachsen neue Ansprüche und neue Forderungen und neue Zwänge. Aber wir haben einen Grad der Zerstörung erreicht, wo es nicht mehr gleichgültig ist, was jeder von uns tut. Jeder sorglose Umgang mit chemischen Giften bringt uns der unheilbaren Totalvergiftung näher und jede bedenkenlose Verschwendung von Trinkwasser bringt uns der Rationierung näher. Je rücksichtsloser die Zerstörung weitergeht, desto schneller endet die persönliche Freiheit von uns allen. Wir sind an Grenzen angelangt: Eine Welt im Umbruch, eine Welt, die sich wieder auf andere Werte besinnen muß, als auf käufliche. Eine Welt, die sich entscheiden muß, ob sie die Reserven ihrer Kinder und Enkel aufzehren darf oder ob es da nicht eine Verantwortung gibt vor den Nachkommen und der Schöpfung.“ (Grün kaputt, 1983)

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  4. Der Post auf dem Blog vom Garten Alst macht das Gesagte anschaulich:

    http://alst.nihil.de/2013/12/04/new-german-style/

    Dieter Wieland:
    "Und diese fürchterliche Ordnung, diese Kälte, diese spießige Pedanterie. (...) Und die Perfektion hat noch kein Ende. Aller Boden rund ums Haus wird zugerichtet, hergerichtet, abgerichtet, hingerichtet. Die meisten scheinen die Natur für eine ausgesprochene Schlamperei zu halten."

    Auf dieser Seite zu finden: Knackiges Interview mit dem Landschaftsarchitekten Henning Breimann aus Hamburg:

    www.sueddeutsche.de/leben/gartendesign-in-deutschland-gruene-hoelle-1.447316

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